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OKTOBER ADIEU

O hne damit angeben zu wollen, muss ich vorweg nehmen, dass die 31 Tage Oktober mit 3 freien Montagen versüßt wurden - Gedenktag für den Königsvater, Tag des Pariser Friedensabkommens und Krönungstag des Königs. Drei lange Wochenenden schreien natürlich ein bisschen nach Ausflügen und Kurzurlauben. Anfangs hatte ich überlegt tatsächlich alle drei Feiertage wegzufahren. Doch irgendwie hat man dann doch mehr zu tun, als sowas zu planen und letztendlich kann ich von zwei kleinen aber feinen Erlebnisschen berichten. Ach, und dem Kleberfleck. Ja, es wäre vermutlich angebracht, damit anzufangen.

K eine sieben Tage alt war der Oktober, als ich aufwachte und statt meinem Handy, dass ich zum Laden an das untere Ende meines Bettes gelegt hatte, nur einen Kleberfleck erblickte. Sehnsüchtig schaute das Ladekabel noch gen aufgeschobenem Fenster. Nun ja, ich will kein Drama daraus machen. Es war ja schließlich nur mein Handy und es hat uns gelehrt, auf unsere Sachen besser aufzupassen und sie vielleicht nicht in Fensterreichweite zu legen. Mittlerweile habe ich ein neues Handy und auch mein "Zuhausegefühl" wieder.

T agelang darum zu trauern wäre sowieso nicht drin gewesen, denn zu Beginn des Monats durfte ich gleich drei Provinzen besuchen, um mit meiner Mentorin Interviews zu führen. Nebem dem UVP ist nämlich ein Großteil meiner Aufgaben Berichte zu korrigieren. Sie handeln von Projekten, die LWD auf dem Land finanziell und personell-informativ unterstützt hat und werden für die Spender (für dieses Programm aus Australien) geschrieben. Nun kann man ja denken "Urgh, englische Berichte korrigieren, na super", aber da kann ich nur sagen, wie super das ist. Vor allem dann, wenn man selber vor Ort sein darf und die Chance bekommt den Leuten zuzuhören, zu erfahren, wie diese Projekte ihr Leben verbessert haben. Ich spreche hier übrigens von Dämmen oder Staubecken zur Wasserversorgung, Saatgut oder Tieren zur Züchtung oder zum Beispiel Schulen.

O bwohl es noch sehr viel zu sehen gibt in ganz Kambodscha und den Nachbarländern, blieb ich das erste lange Wochenende zu Hause. Es ist nun mal auch schön auszuschlafen, zu kochen, ein bisschen Ordnung zu schaffen und einfach auf unserem wunderbaren Balkon zu sitzen, zu liegen, zu denken, zu atmen. Dies ein weiteres Wochenende zu tun, fühlte sich dann aber doch an, als würde ich eine Chance verpassen und nach mangelnden Absprachekünsten von uns WGlern entschied ich mich alleine in den Bus zu steigen. Ich fuhr nach Chambok zu Jana, die dort von Montag bis Freitag lebt und Englisch unterrichtet und ausnahmsweise das Wochenende blieb. Chambok ist ein Ökotourismus-Ort. Mehr Informationen findet ihr bei Interesse auf der verlinkten Homepage. Kann einen Besuch sehr empfehlen! :)

B ei immernoch (ja Verzeihung, das ist gemein) an die 30 Grad, nahmen wir an einer buddhistischen Zeremonie teil, für die sogar auch mir ein traditionelles Khmer Outfit geliehen wurde. Den Rest des Wochenendes verbrachten wir mit besten Unterhaltungen, gutem und gewöhnungsbedürftigen Essen, einer kleinen Wanderung zu einem der Wasserfälle, für die Chambok bekannt ist, Mopedfahrten der romantischen (unterm Sternenhimmel entlang) oder der abenteurlichen (3 Frauen mit 3 engen Röcken auf einem Gefährt) Art und mit schmunzelndem Lauschen bester Chambok-Guide-Witze. Es war nicht nur landschaftlich total schön, sondern auch der erste richtige Einblick in die Arbeitsstelle einer Mitfreiwilligen. Ach, mit Mr. Cho kann man übrigens 5 Stunden für den Weg brauchen, obwohl Google Maps eineinhalb sagt. (Don't trust Google Maps..sowieso und nie hier.) Nebenbei transportierte er in seinem Minibus nämlich noch aller Hand Güter von Geldumschlägen bis Tonnen von Jackfruit von und nach Phnom Penh. Abenteuerlich, aber ich blieb unerwartet entspannt...ratet mal, wessen Pünktlichkeit sich nicht verbessern wird :D

E ine Woche später machte ich mit Martin einen Mopedausflug in einen südwestlich von Phnom Penh gelegen Tierpark. Nicht ganz sicher, was uns erwartet, fuhren wir etwa zwei Stunden bis zum Ziel. Der Park entpuppte sich dann als ein weitläufiges Gelände mit Gehegen, für die es sich manchmal lohnte von einem zum anderen zu fahren. Die meisten Besucher taten das in jedem Fall, wir liefen die meiste Zeit zu Fuß. Äffchen, Krokodile, Elefanten, Äffchen, Bären, Tiger, Äffchen, Löwen. Außer, dass eine nette Elefantendame sich daran versuchte, uns mit einem Stein abzuwerfen (vermutlich aus Wut, dass wir ihr nicht so viel Futter hinwarfen) und ein otterähnliches Wesen, das uns anschrie (ja, laut) bis wir ihm etwas zu Essen gaben, war der Tierpark ein schöner Ort, ruhig und recht naturbelassen. Den Morgen danach gingen wir dann mit unserer indischen Nachbarin in die Kirche, wo wir mit einer großen multikulturellen Gemeinde und guten Worship Songs gemeinsam Gottesdienst feierten.

R ichtig schön ausklingen lassen haben wir auch diesen Monat und an einem ganz besonderen Tag. Halloween wird zwar mittlerweile schon in Kambodscha an der ein oder anderen Stelle vermarktet, aber ich spreche natürlich von dem Reformationsjubiläum am 31.Oktober. 500 Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen zu Papier gebracht hat, aßen wir gebratenen Kürbis mit bestem sticky rice und einem traumhaften Nachtisch aus selbstgemachtem Apfelkompott und Vanilleeis - ein Dank an Köchin Jana an dieser Stelle. So gut wie dieser Nachtisch war im Großen und Ganzen auch mein Oktober. Und auch, wenn hier keine Blätter ihre Farbe ändern und von den Bäumen fallen, genießen wir doch ab und zu den Herbst in kulinarischer Form und freuen uns da zu sein, wo wir sind.

Halleluja.

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Kommentare: 5
  • #1

    Birte (Donnerstag, 09 November 2017 17:39)

    Hallo liebe Tess!
    Wieder ein ganz toller Bericht - du schreibst so schön und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich momentan auch ein bisschen in Kambodscha bin :)
    Fühl dich ganz arg gedrückt.
    Liebe Grüße aus dem zur Zeit kalten, nassen & grauen Deutschland <3

  • #2

    Beate (Donnerstag, 16 November 2017 14:25)

    Liebe Tess,

    die Zeit rennt, 100 Tage in Kambodscha, wirklich schon so lange?
    Ich lese deinen Blog immer mit viel Interesse und Begeisterung. Wie schön, dass es dir so gut gefällt, du so viele schöne, interessante und aufregende Dinge erlebst und bewundernswert, wie du das alles annimmst und meisterst, sei es das 'verlorene' Handy, das ungewöhnliche Essen, die vielen neuen Menschen und Begegnungen - das ganz andere Leben!
    Deine ausführlichen Berichte, die netten Kurzgeschichten und die vielen Bilder lassen mich immer wieder 'dabei sein' und ich kann mir gut vorstellen, wie es ich anfühlt, bei über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit über Land zu fahren, einzutauchen in eine ganz andere Welt, unglaubliche Landschaften zu sehen, fremde Gerüche aufzunehmen, sich darauf einzulassen und zu genießen.

    Wir 'genießen' den Herbst hier, wobei genießen kurze, dunkle, manchmal neblige Tage bedeuten. Ab und zu ein paar Sonnenstunden aber trotzdem schön, mal frische Luft und kühl, das würde ich in einem Land wie Kambodscha, neben einem guten Roggenbrot, wohl am meisten vermissen :-)

    Sei ganz lieb geknuddelt und weiterhin ein gute Zeit.

    Dein Foto von der kambodschanischen Hochzeit im Khmer Outfit und Khmer Pose ist modelverdächtig!

  • #3

    Sabine (Sonntag, 19 November 2017 15:16)

    Liebe Tess, Vera's Ankündigung, ich sei eine zuverlässige Blogeinträge-Leserin und ebenso zuverlässige Kommentatorin, lässt zu wünschen übrig...das tut mir leid, denn ich kann mir vorstellen, dass das Schreiben mehr Spass macht, wenn darauf auch eine Reaktion folgt! In jedem Fall schließe ich mich der Meinung anderer "Follower" an- es ist spannend, Deine Berichte und Eindrücke zu lesen und ich mag besonders Deine Mischung aus Information, persönlichen Beschreibungen (die auch schmerzliche Verluste nicht verschweigen...dabei sorgt mich vielmehrdie Vorstellung, dass da Jemand was aus Deinem Bett gezogen hat, während Du schliefst???!!!), das "Dienstliche" und die "Freizeit-Erlebnisse"- Ihr kommt ja richtig rum und habt wenig bis garkeine Hemmungen, 5 Stunden mit Kleinbussen, die neben Personen noch etliche Waren durch Land bringen "mal eben" Wasserfälle, Tierparks und Freunde zu besuchen...wenn das nicht für zukünftige Aufgaben und Erwartungen an Euch dienlich ist, weiss ich nicht, was sonst! In einem Land, indem Schrift und Sprache nichts mit dem zu tun haben, was einem vertraut ist, so schnell "heimisch" zu werden und klar zu kommen- für mich nahezu "unvorstellbar".
    Du Liebe, lass es Dir weiterhin gut gehen und hab kein schlechtes Gewissen, wenn Du einen freien Tag damit verbringst, auf dem Balkon zu sitzen, Eindrücke zu verdauen und den Tag zu genießen- das gehört schließlich unbedingt dazu- der Kopf muss auch "aufräumen und sortieren"...alles Gute, fühle Dich gedrückt und geherzt aus der Fahr-30-Gasse 18! Sabine

  • #4

    Hans-Günther Oelkers (Sonntag, 19 November 2017 19:57)

    Hallo Tess,
    ein schöner Bericht, sehr lebendig, so wie man Dich kennt.
    Vor ein paar Wochen war übrigens ein längerer Artikel über das sog. Gap-Year in der "Zeit". Die Autoren waren Zeit-Redakteure, deren Kinder sich gerade wie Du für so ein Jahr im Ausland befinden. Da war auch manch Kritisches zu lesen über unseriöse Anbieter, die den Idealismus und den Erlebnishunger junger Menschen ausnutzen. Eine Woche später gab es darauf einige - auch kritische - Leserzuschriften.
    Mein Eindruck ist, dass Du in Kambodscha gut aufgehoben bist und wirklich sinnvoll gefordert wirst, aber auch Zeit und Freiraum hast für Dich selbst.
    Und das ist doch wirklich super!
    Auf neue Blog-Einträge freut sich
    Hans-Günther Oelkers, der sich jetzt zur Tagesschau verabschiedet!

  • #5

    Moritz (Sonntag, 26 November 2017 15:08)

    Hallo Tess,
    Deine Geschichten sind echt gut. Besonders lustig fand ich die Geschichte aus dem Tierpark �
    Wir wünschen dir weiter ganz viel Spaß und freuen uns schon auf neue Berichte,
    Liebe Grüße von Moritz und Rena und natürlich auch von Niklas und Sascha
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