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#9

Es ist Dienstag, Mittagspause und ich muss Chelsey eine aufgeregte Sprachnachricht schicken, über das, was gerade im Office passiert. Normalerweise geht es hier ruhig zu nachdem alle aufgegessen haben und pappsatt sind. Man sitzt zusammen und redet oder legt sich irgendwo zu einem anerkannten Mittagschlaf hin. Diesen Dienstag ist kaum jemand da, ich esse mit unserer Cleaning Lady Vin und ahne noch nichts. Eine Frau kommt in den Hof und verhandelt etwas mit Vin. Ich sehe sie erst nicht und kann nicht erraten, um was es geht. Dann schon. Sie ist für die sicherlich über dreißig Grad dick angezogen und ihr Gesicht von einem Hut mit daran genähten Tuch bedeckt. Sie hat einen großen Karren dabei, wie ich sie schon öfters gesehen habe. Sie sammelt Müll ein, vor allem Plastik, Dosen und Papier. Sie bezahlt eine gewisse Summe pro Dose/Kilo und bekommt dann Geld, wenn sie es abgibt – ich würde gerne wissen wo, ich weiß es nicht. Als der Preis fertig ausgehandelt ist, beginnt Vin Pappe über Pappe aus der Ecke neben der Küche zu ziehen. Ich esse fertig, als sie plötzlich wieder um die Ecke kommt und etwas auf Khmer sagt, was wohl Insektenspray hieß, weil sie es nicht mehr wiederholt, als sie es gefunden hat. Ich bin neugierig und gucke über ihre Schulter. Mehr als ich sie je auf einmal gesehen habe, krabbeln Kakerlaken in allen Größen aus den Pappen. Vin sprüht und sprüht, sie fliehen in die Küche, wo ich gerade meinen Teller spüle. Eine klettert mir ans Bein und eine Andere Vin den Rücken hoch. „There i-is o-one on..“, stammle ich und bekomme mich nicht dazu, sie von ihrem Hals zu schnipsen mit meiner seifigen Hand und dem Teller in der anderen. Sie schüttelt sie ab, ich atme durch. Die Kakerlaken-Invasion wird ruhiger. Sie schießen nur noch alle 30 Sekunden in die Küche und immer mehr sieht man sie auf dem Rücken liegen und langsam an dem Spray erzittern.

 


Eines Morgens fahre ich mal wieder mit dem Fahrrad zur Arbeit. Nach einmal abbiegen werde ich von den glänzenden Federn eines am Seitenrand stehenden Hahns geblendet. Ein kleines Prachtexemplar. Ich biege noch zwei weitere Male ab, als ich mein Gesicht etwas versehen muss, weil ich an einer plattgefahrenen Ratte vorbeifahre. Ich fahre weiter, bald ist es mal wieder ein wenig knapp zu einem anderen Verkehrsteilnehmer, aber wie immer komme ich unversehrt davon. Mein Bauch grummelt, seit einigen Monaten, frühstücke ich nicht mehr zu Hause, sondern im Office. Seit einigen Wochen hole ich mir dafür ein kambodschanisches Frühstück auf dem Weg. Ich habe Glück, nach ca. 2 km erahne ich schon von weitem, dass mein "mi cha bong" (gebratene Nudeln Bruder) da ist! Schon länger habe ich ihn verpasst oder er war nicht da. Freude breitet sich also an und ich halte.

 


 

Sein mobiler Verkaufsstand beinhaltet alles, was er braucht. Erst wir ein bisschen Öl in die große Metallpfanne über Kohle im Inneren des Wagens gegeben. Dann nimmt er ein Ei von links, bricht es auf und lässt es ins Öl fallen. Während das kräftig brutzelt, greift er in eine große Tüte mit kleinen Tütchen mit Öl und Gewürzmischungen, die aus einer Packung Instantnudeln stammen. Die Gewürzmischung kommt aufs Ei, was in der Zwischenzeit auch schon einmal gewendet wurde. Dann schiebt er das Ei zur Seite, da wo die Pfanne nicht mehr direkt über der Hitze ist. Aus einem Eimer nimmt er dann eine Handvoll frischen Sojasprossen-Spinat-Mix, ab in die Pfanne. Nochmal eine kleine Packung Öl und Gewürzmischung dazu und dann kommen die Nudeln, die er aus einer Plastiktüte mit Plastikhandschuh zieht und dazugibt. Mit dem Schaber, drei-viermal gewendet, nochmal zwei kleine Tütchen, Chilisoße und Zucker dazu und fertig. Nun nur noch in die To-Go Styroporpackung (nicht gut, ich weiß nicht gut), Ei drauf und mit in die Tüte bekomme ich auch eine Packung Holzstäbchen und eine Tüte (noch mehr Plastik) mit Soße.

 


Weitere Meldungen und Kurze Geschichten kommen Bald! :)

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